Zur Geschichte des Johannisplatzes in Haidhausen
zusammengestellt
von Johann Baier
Der Johannisplatz liegt geographisch auf einer Niederterrasse, Teil
einer der größten Schotterebenen der Erde, die während
der letzten Eiszeit vor ca. 15.000 Jahren durch Schmelzwässer
aufgeschüttet und in der Nacheiszeit von der Isar so tief zerschnitten
wurde, dass sogar der tertiäre Untergrund, der wasserstauende
Flinz angeschnitten wurde.
An der Grenzschicht zwischen Flinz und darüber
liegendem Schotter treten am Isarhang die Grundwasserquellen aus, die
für die Wasserversorgung der Stadt Jahrhunderte hindurch von größter
Bedeutung waren. – Der Boden der Niederterrasse war für
die landwirtschaftliche Nutzung nicht besonders geeignet, deshalb entstand
hier das im Jahre 808 erstmals erwähnte Dorf „Haidhusir“.
Bevorzugt wurden von den vier Bauern Haidhausens die 4 bis 5 m höher
liegenden, lehmigen und deshalb sehr fruchtbaren Felder auf der Hochterrasse
zwischen der „Flurstraße“ an der einstigen Ostgrenze
der Ortschaft und „Berg am Lehm“, das ebenfalls außerhalb
der von Ramersdorf bis Ismaning reichenden, fruchtbaren Lehmzunge angelegt
wurde.
Dieses wertvolle Ackerland wurde bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts
von der Besiedlung freigehalten. Man siedelte aus ökonomischen
Gründen nur auf der wenig fruchtbaren Niederterrasse. Nur bedeutende
Gebäude Haidhausens wurden am Rande der Hochterrasse auf der Anhöhe
errichtet, wie zum Beispiel die alte Haidhauser Kirche neben dem Friedhof,
das Preysingschloss am Ende der Preysingstraße oder der Zeugnerhof,
dessen Eigentümer (Rattenhuber) in der Geschichte Haidhausens
immer eine wichtige Rolle spielten.
Die folgende Zeittafel soll einen Überblick über die Ereignisse
des einstigen Schlossangers geben, dessen Geschichte im 17. Jahrhundert
fassbar wird.
1683 |
Gegenüber dem Schlösschen des Freiherrn Pankraz von
Leiblfing (in der heutigen Baulücke zwischen dem ehemaligen
Feuerwehrhaus und der Kirchenschule) liegt ein ausgedehnter Anger
mit 11 Tagwerk (ca. 37.500 qm). Adelige und Münchner Bürger
sowie die Haidhauser empfangen feierlich Kurfürst Max Emanuel
am Haidhauser Anger, denn er kehrt nach der Befreiung Wiens von
den Türken in seine Residenzstadt zurück |
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1684 |
Das Besitztum des Freiherrn von Leiblfing wird zum
Edelsitz und 1 Jahr später zur ungeschlossenen Hofmark erhoben. |
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1692 |
Haidhausen wird geschlossene Hofmark, in der alle
Insassen dem Hofmarksherrn unterstehen. Der Platz wird zum Schlossanger. |
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1697 |
Das Hofmarkschloss wird an den Hofmeister Paul von
Fugger-Kirchberg-Weißenhorn verkauft. |
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1729 |
Graf Maximilian Cajetan von Törring zu Seefeld
erbt Hofmark und Schloss; er war ein treuer Begleiter des Kurfürsten
Max Emanuel in seinen Schlachten gegen die Türken. |
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1737 |
Graf Maximilian schenkt Hofmark samt Schloss und
zugehörigem Anger mit 10 ½ Tagwerk an Rosina von Pfitschental,
die spätere Freiin von Wippenheim (Beerdigung 1757 in der
Alten Haidhauser Kirche). |
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1799 |
Der Schlossanger wird von Graf Anton Clemens von
Törring zu Seefeld an den Metzgermeister Peter Sailer von
Haidhausen verkauft, der ihn schon früher gepachtet hatte.
Der Schlossanger wird zur „Metzger-Sailer Wiese“ oder
kurz zum „Metzger-Anger“. |
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1812 |
Graf Anton Clemens verkauft auch das Schlossgrundstück
mit Garten (nördlich der Kirchenstraße) an Pfarrer Hallmayr
von Bogenhausen, der seinerseits beides an die Gemeinde Haidhausen
abtritt. Aus dem Schloss wird die „Schloss-Schule“,
die erst 1893 abgebrochen wird. – Die Baulücke zwischen
der Kirchenschule und dem ehemaligen Feuerwehrhaus am Johannisplatz
markiert den Standort des einstigen Hofmarkschlosses. |
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1830 |
Der Metzger-Anger geht in den Besitz des Haidhauser
Krämers und Tafernwirtes Alois Allwein für 19.600 Gulden über.
Die Fläche des Angers beträgt immerhin noch 10 Tagwerk
und 95 Dezimal (1 Dezimal = 34,07 qm, 1 Tagwerk = 3407 qm)
Im gleichen
Jahr genehmigt die Regierung des Isarkreises die Bebauung
des östlichen Teils des Angers. |
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1830 -
1833 |
Der Metzger-Anger wird zwischen Kirchen-
und Jugendstraße
und in der Jugendstraße selbst bebaut. |
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1835 |
Ein genauer Bebauungsplan wird aufgestellt. |
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1840 |
Der Frauenverein adliger Damen erwirbt zum Zwecke
der Errichtung
einer Kleinkinderbewahranstalt das Eckgrundstück am (späteren) Johannisplatz
zur Jugendstraße hin. Das kleine einstöckige Haus von 1840
wird um 1900 durch einen größeren Neubau ersetzt und später nach
der Gemahlin König Ludwigs III. „Maria-Theresia-Anstalt“ benannt. |
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1841 - 1842 |
Die Jugendstraße, die obere und untere
Johannisstraße
sowie die Angerstraße (ab 1877 in Walserstraße umbenannt) werden
bebaut. Der
Metzger-Anger schrumpft weiter zusammen. |
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1842 |
Der verkleinerte Anger mit 8 Tagwerk 24 Dezimal
(ca. 28.100 qm)
geht in das Eigentum des Großhändlers Emanuel J. Trost über.
Er veräußert weitere Grundstücksparzellen des Angers. |
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1849 |
Der Schwiegersohn des Emanuel Trost, der Großhändler
Lion, verkauft den restlichen Anger an die Gemeinde Haidhausen
zur Erbauung der neuen Pfarrkirche am Johannisplatz um 16.000 Gulden.
Der Anger umfasst noch 7 Tagwerk 39 Dezimal (ca. 25.200 qm =
zwei Drittel der ursprünglichen Fläche). |
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1852 |
Grundsteinlegung zur neuen Pfarrkirche am Anger |
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1856 |
Zwei Jahre nach der Eingemeindung Haidhausens nach
München
erhält der Metzger-Anger die Bezeichnung „St.-Johannis-Platz“. |
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1860 - 1900 |
Die meisten Häuser am heutigen Johannisplatz
entstehen
in
dieser Zeit in spätklassizistischen Formen oder im Stil der Neurenaissance. |
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1873 |
Die Regierung von Oberbayern genehmigt den Bau der
ersten großen und modernen Schule in Haidhausen neben der
alten, viel zu kleinen Schloss-Schule. Architekt ist August von
Voit, der auch den Glaspalast im Alten Botanischen Garten geplant
hat. Im Herbst 1874 kann der Ostflügel, ein Jahr später
der
Westflügel bezogen werden. |
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1874 |
Der Architekt Matthias Berger übergibt dem
Pfarrer von Haidhausen,
Franz-Xaver Hübler, die Schlüssel zur fertigen Pfarrkirche am Johannisplatz.
(Der „Bettler von Haidhausen“, Pfarrer Johann Georg Walser,
war bereits 1871 verstorben. Sein Marmorsarg ruht in der Pfarrkirche. |
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1874 - 1877 |
Dreikönigsdult am Johannisplatz (dann
ganz aufgehoben) |
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1874 - 1903 |
Jakobidult am Johannisplatz (seitdem am
Auer Mariahilfplatz) |
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1877 |
Man beginnt, den Platz mit einer Baumpflanzung und
durch Geländeplanierung anzulegen: also eine erste gärtnerische
Gestaltung. Die Angerstraße
wird in „Walserstsraße“ umbenannt zu Ehren des „Bettlers
von Haidhausen“, des Pfarrers Johann Georg Walser, der in 29 Sammelreisen
seine Kirche zum Teil zusammenbetteln konnte. – Einweihung der Kirche im
August 1879 – also vor genau 125 Jahren! |
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1882 |
Die Pferdestraßenbahn fährt erstmals über
den Johannisplatz
auf der Strecke Hoftheater – Maximilianstraße – Johannisplatz – Ostbahnhof |
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1893 |
Infolge des Abbruchs der Schloss-Schule verliert
die Freiwillige
Feuerwehr ihren Raum für Löschgeräte. Nach dem Entwurf von Carl
Hocheder, wird stattdessen an der Ecke Schloss- und Kirchenstraße 1893/4
ein eigenes, neubarockes Feuerwehrhaus erstellt und mit einem Wannen- und Brausebad,
von den Haidhausern liebevoll „Tröpferlbad“ genannt, verbunden.
1 Jahr später wird Hocheder unterhalb des Maximilianeums das kleine Maximilianswerk
(1895) zur Gewinnung des elektrischen Stroms für die Überleitung der
Münchner Pferdestraßenbahn zum elektrischen Betrieb erbauen. 1896
bis 1901 errichtet Hocheder sein Jugendstil-Volksbad unterhalb des Gasteigs,
das zum Vorbild für den Bäderbau
in Deutschland, ja sogar in Teilen Europa werden sollte. |
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1898 |
Es entsteht für die Dulten ein Kiesplatz mit
160 Ahornbäumen.
Verschiedene Wege auf dem Johannisplatz, mit Hausteinen und Klinkern belegt,
durchqueren die Flächen nördlich und südlich der Kirche. |
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1904 |
Nach dem Abwandern der Jakobidult in die Au entsteht
die erste bedeutende Grünanlage auf dem Johannisplatz durch
die Zusammenarbeit von J. Grässel
vom Stadtbauamt und J. Heiler. |
Seit über 120 Jahren hat sich der Grundriss des
Johannisplatzes nicht mehr verändert, wie die Stadtpläne
des 19. und 20. Jahrhunderts zeigen. Wohl aber hat sich das Bild durch
den 2. Weltkrieg und durch die Neubauten der Nachkriegszeit sowie
durch die Purifizierung des neugotischen Gotteshauses am Johannisplatz
nicht immer zum Vorteil gewandelt.
Aug. 2004 – J. Baier
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